Antar Mouna - Es gibt kein größeres Kunstwerk als den inneren Frieden!
In Hatha Yoga gibt es die Technik Shankhaprakshalana, mit der alle Gifte aus dem Magen und dem Darmtrakt entfernt werden. Mit dieser Übung können fast alle Verdauungsprobleme durch Regulieren des Gallensaftes, der Gase und des Schleims geheilt werden. Man trinkt etwa 16 Glas gut warmes Salzwasser und macht zwischendurch fünf unterschiedliche Asanas; dadurch werden Magen und Darm tief greifend gereinigt und entgiftet; der Körper wird sehr leicht und frei von Spannung. Diese Übung sollte nur in einem Ashram erlernt und ausgeführt werden.
Ähnlich der Reinigung des inneren Körpers gibt es auch ein mentales Shankhaprakshalana, mit dem überflüssige Gedanken entfernt werden und ein mentales Gleichgewicht hergestellt wird. Unser Bewusstsein ist verstopft mit Vorstellungen, Spannungen, alten Samskaras und vielen unerfüllten Wünschen. Solange wir unnötige Ängste und Hemmungen in uns tragen, können wir uns nicht entspannen. Nach der körperlichen Reinigung mit viel Salzwasser folgen unweigerlich mehrere Gänge zur Toilette. Danach erst fühlt man sich gut. Die mentale Reinigung erfordert ebenfalls eine intensive Entleerung, und das ist oft ermüdend, denn es liegt ein riesiger Gedankenberg vor dir. Wenn du dich jedoch von den Gedanken entleert hast, findest du eine tiefere innere Zufriedenheit.
Jeder hat sexuelle Wünsche, Samskaras, überflüssige Gedanken und Ängste, ob Mann oder Frau, ob König oder Diener. Jeder hat viele Probleme, wir alle haben kein reines Bewusstsein. Kannst du behaupten, dass du keinerlei Gifte im Körper hast und keine störenden Gedanken und Gefühle? Wenn du das sagst, sprichst du nicht die Wahrheit. Wünsche und Gedanken sind natürlich. Ein normaler Mensch ohne Wünsche und Gedanken ist ganz sicher irgendwie krank. Deine bewussten Gedanken wirst du vielleicht kennen, aber das Unterbewusste und das Unbewusste sind so tief, wie das Meer.
Du kannst die Wellen an der Oberfläche sehen, aber die Tiere, die Skorpione, die Schlangen oder die wertvollen Perlen in der Tiefe bleiben dir verborgen. So kannst du auch deine Schwächen und Hemmungen, die tief im Unterbewussten liegen, nicht sehen. Du kannst deine tief liegenden Samskaras, die sich durch deine Familie, deine Gesellschaft oder Religion seit unendlichen Zeiten dort angesammelt haben, nicht erkennen. Es gibt jedoch einen Weg, wie du dir ihrer bewusst werden und alles betrachten kannst, was im Unterbewussten und im Unbewussten liegt. Wenn dein Bewusstsein zur Ruhe kommen soll, musst du es zuerst kennen lernen.
Durch Antar Mouna, die innere Stille, wird das ganze Bewusstsein als Quelle unserer Gedanken und Gefühle erfahrbar. Während du diese yogische Übung machst, kommen die unterdrückten Samskaras an die Oberfläche. Während Shankhaprakshalana trinkst du sehr viel Wasser, und während Antar Mouna machst du Japa (Wiederholung eines Mantras). Das Mantra dringt in das Bewusstsein ein und kratzt alle Samskaras und Spannungen heraus. Je nach Qualität deiner Samskaras wirst du unwichtige oder wenig erbauliche Gedanken, schreckliche Geister oder wunderschöne Landschaften sehen. Wenn schlechte Gedanken oder schreckliche Bilder erscheinen, wirst du vielleicht nervös, weil du diese Dinge während deines normalen Lebens niemals erlebst oder siehst.
Besonders in dem Moment, wenn man meditieren oder beten will, stürzen diese Gedanken als wahre Plage auf einen ein. Warum? Während du meditierst, vergisst du die äußere Welt, du ziehst deine Sinne nach innen, und dort begegnest du all den unzähligen Samskaras in allen möglichen Formen. Sie sind die Ursache zu allen mentalen und körperlichen Krankheiten. Wenn der Aspirant diese Abgründe betrachtet, verzweifelt er und hört mit seinen spirituellen Übungen auf. Er glaubt, dass dieser Weg nicht der richtige für ihn ist. Aber er sollte nicht aufgeben, denn diese mentale Reinigung ist absolut notwendig.
Wenn du ein Zimmer nach einer langen Zeit wieder betrittst, wirst du bemerken, dass alles schmutzig und staubig ist, der Fußboden, die Wände, alles ist mit Staub bedeckt. Willst du den Raum reinigen, musst du erst alles ausräumen; und während du fegst, wird der Staub erst richtig hochkommen. Würdest du aus diesem Grund aufhören, zu fegen, würde der Raum niemals sauber. Der ganze Ballast von Ängsten, Ärger und Fantasien muss also aus dem Geist entfernt werden, und dazu werden Übungen wie Japa oder Antar Mouna benutzt. Antar Mouna und Japa sollten gleichzeitig gemacht werden. Du solltest deinen Gedanken als unbeteiligter Zeuge zusehen, ohne dich mit ihnen zu identifizieren. Du musst dich dabei nicht konzentrieren, solltest jedoch deine spirituellen Übungen mit äußerster Aufmerksamkeit beharrlich ausführen.
Sehr oft unterdrücken Aspiranten während Japa ihre negativen Gedanken. Das ist nicht richtig. Wenn du diese Gedanken unterdrückst, verkriechen sie sich wiederum in die Tiefen des Unterbewusstseins, um von dort aus weiter zu wüten. Diese unterbewussten Eindrücke verursachen Introvertiertheit. Sie sind so stark, dass sie dein ganzes Leben durcheinander bringen und zerstören können. Während dieses Sadhanas werden Aspiranten manchmal schwach und dünn, kriegen Verstopfung oder werden ganz verwirrt; die unterdrückten, tief liegenden Gedanken brodeln heraus! Wenn du viele Tage keine Verdauung hast, wird das ganze System schwach und empfänglich für vielerlei Krankheiten. Genauso ist es, wenn du deine Spannungen nicht herauslässt, sie werden dir viele mentale Probleme schaffen.
Solange der Elefant stark und ungezähmt ist, musst du ihn sehr sorgfältig beobachten, sonst wird er dich überrennen. Solange dein Bewusstsein nicht unter deiner Kontrolle ist, musst du dich mit ihm anfreunden und es beobachten. Bist du einmal der Meister deines Bewusstseins, kannst du es lenken, wie du möchtest. Während du Antar Mouna und Japa machst, solltest du deinem Geist mit Gedanken und Gefühlen also völlig freien Lauf lassen und nur beobachten. Auf diese Weise wirst du allmählich deine Gedanken und Gefühle verstehen.
Die meisten Menschen haben nur sehr vage Vorstellungen von ihren eigenen Problemen; sie haben keine freien Gedanken. Sie denken nur im Einklang mit ihrer Gesellschaft und Tradition. Der Grund von Krankheit liegt nicht nur in früheren Karmas; auch die Gesellschaft trägt einen großen Teil der Verantwortung dafür. Innere Stärke und Sicherheit führen zu Frieden und innerer Freiheit. Löse dich von den unwahren Wegen und den falschen Gewohnheiten der Gesellschaft, verändere deine Gedanken, begib dich auf Suche nach dem wahren Sinn und der höheren Bedeutung des Lebens.
Solange du nicht den richtigen Weg kennst, deine Probleme zu lösen, solange wird dein Leben nicht ruhig dahin fließen können. In den meisten Familien wird ständig gestritten und sie sind völlig aufgelöst beim Tod eines 'ihrer Lieben'. Viele verlieren ihr ganzes seelisches Gleichgewicht, wenn irgendetwas im Berufsleben schief geht. Erst, wenn du lernst, jede Situation zu akzeptieren, dann wirst du die richtige Lösung für alle Probleme finden, für mentale ebenso wie für körperliche.
Es ist heute bekannt, dass das Bewusstsein die Ursache aller mentalen und auch der meisten physischen Krankheiten ist. Diabetes scheint auf den ersten Blick eine physische Krankheit zu sein, die dann auftaucht, wenn die Bauchspeicheldrüse nicht genug Insulin produziert. Mediziner erkannten jedoch, dass ein Zusammenhang besteht zwischen exzessiver geistiger Anspannung und der Produktion von Insulin. Ständiges Grübeln beeinflusst die Neuronen im Gehirn und damit auch die Bauchspeicheldrüse, die nicht mehr genügend Insulin produziert, so dass Diabetes entstehen kann.
Du wirst schon davon gehört haben, dass ein Einbrecher vor einer geplanten Tour seine Därme entleeren muss. Warum ist das so? Er steht unter großer Anspannung und Angst, und das beeinflusst sein Verdauungssystem. Verschiedene Spannungsformen, ob nun gedankliche oder emotionale, beeinflussen unterschiedliche Bewusstseinszentren und führen konsequenterweise zum Ruin der Gesundheit.
Andrerseits können Menschen, die zu viel Erfolg auf allen Ebenen haben, während der Ausbildung, im Berufleben, zu viel Ruhm und Anerkennung, derart entspannt und gleichgültig werden, dass das Gehirn nicht mehr genügend mit Spannung und Erregung versorgt wird. Das führt zu verminderter Blutzirkulation, was leicht zu einem Herzinfarkt führen kann. Sehr ehrgeizige Menschen sind oft anfällig für Krebs. Es ist das Bewusstsein, das für all die verschiedenen mentalen und physischen Störungen verantwortlich ist, ob sie nun in der Wirbelsäule oder im Magen beginnen.
Menschen, die im Kino, im Theater oder ähnlichen Vergnügungen ihre einzige Unterhaltung suchen, sind nicht selbstzufrieden; sie können den wahren Reiz und die Schönheit in ihrem eigenen Leben nicht finden. Sie flüchten vor ungünstigen Situationen, und Flucht ist keine Lösung für Probleme. Feindschaft zwischen den Menschen, Kriege zwischen Völkern, das Zusammenbrechen von ganzen Gesellschaften und die individuellen Probleme und Streitigkeiten - das alles ist Ausdruck unserer kranken Gedanken und Gefühle.
Eine verheiratete Frau kam zu mir und klagte über ihren Sohn, weil er ein undisziplinierter Trinker war. Sie war es leid, seine Angewohnheit ständig zu korrigieren und hatte auch keinen Erfolg. Ich habe ihr empfohlen, Trataka auf sein Augenbrauenzentrum (Bhrumadhya) zu machen, und zwar nachts, wenn er schläft. Das hat sie gemacht und hat ihm positive Gedanken geschickt. Nach ungefähr drei Monaten hat sich seine Angewohnheit gebessert.
Dieses Bewusstsein ist mysteriös und mächtig. Lord Krishna sagt in der Bhagavad Gita, dass der Geist der größte Feind ist für diejenigen, die Sklave ihrer Gedanken und Gefühle sind, dass er andrerseits der beste Freund für Yogis ist, die den ganzen Gedankenkomplex unter ihre Kontrolle gebracht haben. Es ist also unsere Aufgabe, zuerst das Bewusstsein zu verstehen, um es dann durch Yoga bereitwillig zu machen. Dann nur kannst du die mentale Stärke erlangen, um allen Herausforderungen im Leben zu begegnen, ob Leid oder Trauer, und du wirst nicht mehr so leicht zu erschüttern sein.
(Aus: Yoga Heft 41) - Swami Satyananda Saraswati