Im 8. Lebensjahr mit Yoga-Unterricht beginnen!
Es ist Tradition, dass indische Kinder im Alter von 8 Jahren in Yoga eingeführt werden, und zwar während 'upayanvidhi', der Zeremonie des heiligen Bandes. In der frühen indischen Kultur lernten Knaben wie Mädchen Yoga-Übungen wie Surya Namaskara, Nadi Shodana Pranayama und das Gayatri Mantra, was gleichzeitig die erste Etappe ihrer Kindheit abschließt und den Beginn in das 'magische Alter` einleitet. Für die moderne Wissenschaft ist jetzt dieses Alter augenscheinlich wichtig geworden, da festgestellt wurde, dass das 8. Lebensjahr ein entscheidender Meilenstein in der physiologischen und psychischen Entwicklung eines jeden Individuums darstellt. Hier beginnt das Bewusstsein des Kindes in das eines Erwachsenen überzugehen. Es folgen einige Erkenntnisse über Kinder dieses Alters, die die Wissenschaftler entdeckt und gesammelt haben.
Die Anzahl der winzigen Luftbläschen (Alveoli) in den Lungen vermehrt sich bis zum 8. Jahr. Danach ist nur noch eine Vergrößerung der Luftbläschen möglich, eine Vermehrung findet jedoch nicht mehr statt. Ärzte haben festgestellt, dass dies der ideale Zeitpunkt ist, um mit täglichen Pranayama-Übungen zu beginnen. Auf diese Weise wird der Mechanismus des Gefäß- und Atemsystems systematisch trainiert und garantiert Vitalität, große Widerstandskraft und Ausdauer in allen Lebenssituationen.
Die Entwicklung und Programmierung des immunen Überwachungssystems erweitert sich schnell, schon im ersten Lebensabschnitt, d.h. in der Gebärmutter und der frühen Kindheit. Im Alter von 8 Jahren kommt dieser Prozess zum Ende, weil das lymphoide Gewebe der Thymusdrüse, eingewickelt um die Basis des Herzens und die Wurzel der Lungen, verkümmert und sich auflöst. Das Wesen und die Empfindsamkeit des Immunsystems, das später in jedem Individuum ansteigt, hat deshalb mehr oder weniger um das 8. Lebensjahr herum seinen Ausgangspunkt. Der psychologische und physiologische Prozess der Unterscheidungsfähigkeit zwischen 'ich` und 'den anderen`, das sich im spirituellen Leben als gewaltige doch illusorische Schranke des Ego manifestiert, ist durch den Zellstoffwechsel auch verantwortlich für Immunschwächen wie Asthma, allergische Reaktionen, Arthritis, Tumor und Krebs.
Yoga-Übungen wie Surya Namaskara und Nadi Shodana garantieren eine kontinuierliche und fortschreitende Entwicklung des Immunsystems ein Leben lang. Der Yogi ist also in der Lage, immer wieder die richtige Antwort oder Reaktion für eine Situation zu finden und sich der Realität des Lebens zu stellen. Das garantiert, dass er immer passend und positiv auf gesunde Art reagiert und nicht dem bis zum 8. Lebensjahr vorprogrammierten Zellencode folgt, bis zu dem Scheidepunkt nämlich, wo die Entwicklung des Immunsystems beim Durchschnittsmenschen beendet ist. Diese Unfähigkeit, Lebensumstände und Situationen in das vorher existierende zellulare Gedächtnis zu integrieren, ist eine der Ursachen von Immunschwäche und Überempfindlichkeitskrankheiten, die in der modernen Gesellschaft so sehr wuchern.
Die Zirbeldrüse, die einen kontrollierenden Einfluss über die Hypophyse und das ganze endokrine Drüsensystem hat, verkümmert allmählich im 8. Jahr. Dieses winzige Organ im Zentrum des Gehirns ist verantwortlich für die Erhaltung des erweiterten Bewusstseinszustandes des Kindes, ohne das in diesem Lebensalter störende sexuelle Bewusstsein und Rollenverhalten. Nach 8 Jahren beginnen allmählich die Fortpflanzungshormone zu fließen, die die Hypophyse produziert, und der Beginn der Pubertät setzt mit der Verkümmerung der Zirbeldrüse ein. Bei Kindern, die im 8. Lebensjahr mit Yoga beginnen, zieht sich der Anfang der Pubertät hinaus, so dass sie noch einige Jahre in der Kindheit leben können.
Das Erwachen emotionaler und sexueller Impulse und Leidenschaften des Erwachsenseins wird auf diese Art und Weise hinausgeschoben, bis der junge Mensch dazu bereit ist, es mit dieser emotionalen, psychologischen und physiologischen Revolution aufzunehmen, welche die männliche oder weibliche soziale Identität ankündigt. Bei Kindern, deren Pubertät und die erste Regelblutung später einsetzen, ist deutlich sichtbar, dass sie generell intuitiver, intelligenter und sensitiver aufwachsen, als Frühreife, die gezwungen sind, sich mit Konflikten und emotionalem Durcheinander des Erwachsenen auseinanderzusetzen, bevor sie dazu imstande sind, das zu bewältigen und zu verstehen, was innerhalb ihres Körpers und Verstandes geschieht.
Entsprechend der Aussagen von Psychologen entwickelt sich im ca. 8-jährigen Kind die Fähigkeit für abstraktes Begründen, Verständnis für Konzepte und Ideen, was Grundlage für die nun beginnende technische und moralische Erziehung ist. Es ist der Zeitpunkt, wenn ein Kind ernsthaft dazu bereit ist, zu lernen und sich zu konzentrieren. Vor dem 8. Lebensjahr besteht die Welt des Kindes aus Spielen und Fantasien; nach diesem Wendepunkt sollte das Kind allmählich mit Disziplin und Konzentration vertraut gemacht werden. Kinder, die von diesem Alter an Yoga praktizieren, sind auf dem Wege dahin, ihre natürlichen Eigenschaften, Kapazitäten und Talente zum vollsten Ausmaß auszuweiten, um ein erfolgreiches, sinnvolles und freiheitliches Leben zu führen.
Ab dem 8. Lebensjahr sollten Kinder in einer kulturellen und internationalen Atmosphäre erzogen werden. Es sind nicht Bücher, Gebete, Kirchen oder Tempel, die die Basis der spirituellen Bildung werden sollten. Die spirituelle Erziehung eines Kindes sollte mit der Kultivierung des eigenen Lebens beginnen. Ob es in einem Ashram, Kloster, Heim oder bei seinen Eltern lebt, ihm sollte die Gelegenheit gegeben werden, an der alltäglichen Arbeit teilzunehmen. Karma Yoga auf der ganzen Linie zu leben, ist die beste Möglichkeit, spirituelle Erfahrungen und spirituelle Samskaras in sich aufzunehmen.
Das Schicksal der gesamten Welt liegt bei den kleinen Kindern. Der silberne Streifen am Horizont wird nicht von dir oder mir gebildet, sondern von den Kindern, die Spiritualität in sich tragen.
Dr. Swami Karmananda Saraswati