Kannst Du uns bitte sagen, was Du als besonders wichtig beim Unterrichten von Yoga betrachtest?
Antwort: Niemals sollte ein Yogalehrer vortäuschen, mehr zu wissen, als er tatsächlich weiß und niemals sollte er etwas lehren, was er nicht selber erfahren und geübt hat. Das war und ist mein Prinzip in meinem Leben und ich halte es für eine der wichtigsten Regeln. Wenn ich etwas nicht weiß, sage ich einfach: "Es tut mir leid, ich weiß es nicht."
Ich bin jedoch vielen Lehrern begegnet, die über Nacht sehr bekannt wurden, nachdem sie ein bisschen über die Pawanmuktasanas gelesen haben. Das sind solche Lehrer, die nachts Bücher über Hatha Yoga von der Bihar School of Yoga, von Iyengar und anderen lesen und bereits am nächsten Tag das Gelesene unterrichten, ohne es selber jemals geübt zu haben. Das ist eine sehr gefährliche Sache, sowohl für den Lehrer als auch für den Schüler, der sich durch einen unverantwortlichen Unterricht schwere Verletzungen zuziehen kann. Auch bin ich vielen Yogalehrern begegnet, die ihren Schülern am allerersten Unterrichtstag den Kopfstand beibringen. Später, wenn ein Schüler über hohen Blutdruck oder Nackenschmerzen klagt, wissen sie dann keinen Ausweg.
Die zweite Regel, die von allen Yogalehrern befolgt werden sollte, ist, den Körper zu verstehen, den Körper zu fühlen, den Körper zu erfahren. Ein Yogalehrer sollte die Fähigkeit besitzen, sich in den Körper eines anderen Menschen hineinzufühlen. Er sitzt vielleicht ruhig da, aber gedanklich führt er die Asanas im Körper des Schülers aus und er erfährt die gleiche Steifheit oder Flexibilität, die der Schüler erlebt. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, wenn man gut unterrichten will.
Der dritte und vorerst letzte Aspekt für einen guten Yogalehrer ist folgender: Er muss die Bedürfnisse, Beweggründe, die Stärken und Grenzen jedes einzelnen Schülers kennen. Ohne ein tief greifendes Verstehen von dem, warum ein Schüler Yoga lernen will, welche Stärken und Schwächen er hat, ist es unmöglich, Yoga zu unterrichten. Wenn dieses Einfühlungsvermögen nicht vorhanden ist, bleibt der Yogaunterricht ein rein mechanischer Vorgang. Ist es jedoch da, entsteht eine zwischenmenschliche Beziehung. Mehr zum Lehren von Yoga bleibt vorerst noch ungesagt.
(Aus: YOGA Nr. 43) - Satsang mit Swami Niranjan