Was ist das Swadhisthana Chakra?
Das Sanskritwort swa bedeutet „das Eigene“ und adhisthana bedeutet „Wohnsitz“ oder „Residenz“. Swadhisthana ist die Wohnstatt des Selbst. Obwohl Muladhara einen besonders wichtigen Platz im Schema der Chakras einnimmt, ist Swadhisthana, das sehr dicht bei Muladhara liegt, für das Erwachen von Kundalini Shakti in Muladhara mitverantwortlich. Es heißt, früher habe sich Kundalini in Swadhisthana aufgehalten, sei aber später zu Muladhara gesunken und ruhe nun dort als Mahakundalini.
Die Lokalisierung von Swadhisthana Chakra
Swadhisthana korrespondiert mit den Sexual- und Ausscheidungsorganen und beeinflusst auf physiologischer Ebene das Nervengeflecht der Prostata, beziehungsweise der Gebärmutter und der Vagina. Aus diesem Grund wird es auch Sakralchakra oder Sexualchakra genannt.) Der Sitz von Swadhisthana befindet sich am Ende der Wirbelsäule, dort, wo sich Steiß- und Kreuzbein verbinden. Hier ist ein kleiner knöcherner Vorsprung, der kurz oberhalb des Anus fühlbar ist. Sowohl im männlichen als auch im weiblichen Körper liegt es anatomisch betrachtet nahe bei Muladhara. Swadhisthana Kshetram befindet sich an der Vorderseite des Körpers in Höhe des Schambeins.
Die traditionelle Symbolik und Bedeutung des Swadhisthana Chakras
Da Swadhisthana (das Sakralchakra) als Wohnstatt der primären Unwissenheit gilt, kann es sein, dass bei Visualisierung die Farbe Schwarz auftaucht. Im traditionellen Sinne wird dieses Chakra jedoch als Lotos mit sechs zinnoberfarbenen oder ziegelroten Blütenblättern dargestellt. Auf jedem Blütenblatt steht ein Buchstabe eines Bija Mantras, der in der Farbe des Lichts geschrieben ist: bam, bham, mam, yam, ram, lam.
Das Element dieses Chakras ist das Wasser. Es wird durch eine weiße Mondsichel im Innern des Lotos symbolisiert. Der Halbmond bildet sich durch zwei entsprechend angeordnete Kreise, wodurch zwei weitere Yantras entstehen. Um den größeren Kreis zeigen sich Blütenblätter, die sich nach außen öffnen. Sie sind Ausdruck für die bewusste Seinsebene. Im Innern des Mondes ist ein kleinerer Kreis mit ebenso vielen Blütenblättern, die nach innen gerichtet sind. Dieses Symbol drückt die unbewusste Ebene aus, hier sammelt sich das formlose Karma.
Diese zwei Yantras sind durch ein weißes Krokodil im Innern des Mondes voneinander getrennt. Das Krokodil ist Symbol des animalischen Aspektes, es trägt die ganze Bürde des unbewussten Lebens und bringt die unterschwelligen karmischen Bewegungen zum Ausdruck. Über dem Krokodil steht in makelloser, weißer Farbe das Bija Mantra vam geschrieben.
Im Bindu des Mantras zeigen sich als Symbol des göttlichen Aspektes Deva Vishnu und Devi Rakini. Vishnu hat vier Arme, und über seinem leuchtend blauen Körper trägt er ein gelbes Gewand. Er ist wunderschön anzusehen. Rakini hat die Farbe des blauen Lotos, sie trägt ein himmlisches Gewand und ist mit Ornamenten geschmückt. In ihren erhobenen Händen trägt sie verschiedene Waffen.
Der himmlische Nektar, den sie trinkt, versetzt sie in erhabene Stimmung. Swadhisthana ist der Pflanzenwelt sehr nahe, und Rakini ist die Königin des Pflanzenreichs. Deshalb wird vegetarische Ernährung empfohlen, wenn man dieses Chakra erwecken will.
Swadhisthana gehört zu Bhurvar Loka, der mittleren Ebene der spirituellen Wahrnehmung. Das Tanmatra, das mit diesem Chakra in Verbindung steht, ist der Geschmack. Das Wahrnehmungsorgan (Jnanendriya) ist die Zunge. Organe der Handlung (Karmendriya) sind die Geschlechtsorgane und die Blase. Das mit Swadhisthana assoziierte entscheidende Vayu ist Vyana. Manipura und Swadhisthana gehören zu Pranamaya Kosha.
Es heißt, dass eine auf Swadhisthana und Kundalini gerichtete Meditation augenblicklich von inneren Feinden befreit, z.B. Lust, Ärger, Gier usw. Nektargleiche Worte fließen in Prosa und Versen und wohldurchdachter Rede. Man wird der Sonne gleich und kann damit die Dunkelheit der Ignoranz entfernen.
Swadhisthana Chakra – Stätte des Unbewussten
Swadhisthana gilt als Grundlage der individuellen menschlichen Existenz. Seine Entsprechung im Gehirn ist das Unbewusste mit der Ansammlung von mentalen Eindrücken, den Samskaras. Mit Swadhisthana werden alle Karmas, alle vergangenen Inkarnationen, alle einmal gemachten Erfahrungen, sowie die größere Dimension der menschlichen Persönlichkeit, die noch im Unbewussten ruht, gleichgesetzt. Das individuelle Sein hat seine Wurzeln im Unbewussten, und die vielen Triebe, die in diesem Chakra wahrgenommen werden, brodeln aus der Tiefe des Unbewussten hervor.
Laut Tantra ruht im Swadhisthana Chakra zum einen das gesamte Potenzial animalischer Instinkte, zum anderen aber auch der Bezwinger des Tieres. In Sanskrit bedeutet Pashu „Tier“ und Pati „Meister“. Pashupati ist der „Bezwinger animalischer Triebe“. Pashupati ist einer der vielen Namen Shivas und gleichzeitig eines der Attribute von Swadhisthana Chakra. Der Mythologie nach deutet Pashupati auf das völlig Unbewusste. Von Swadhisthana aus wird das Muladhara Chakra mit den animalischen Tendenzen, die während der ersten Zeit der menschlichen Entwicklung vorherrschen, beeinflusst.
Dieses vollkommen Unbewusste in Swadhisthana sollte man sich auf keinen Fall als inaktiv vorstellen. Im Gegenteil, was hier im Unbewussten ruht, ist sehr viel dynamischer und mächtiger als der normale Wachzustand. Wenn Shakti Swadhisthana erreicht, wird dieser unbewusste Zustand hautnah erfahren. Es ist anders als in Muladhara, denn hier hat sich das Unbewusste schon irgendwie geformt.
Im Muladhara Chakra drückt sich das Karma der niederen Evolutionsstufe ganz deutlich aus, z.B. in Form von Ärger, Gier, Eifersucht, Leidenschaft, Liebe, Hass, Abscheu. Diese Bewusstseinsebene erlaubt es, dass wir die Karmas austragen, indem wir sie nach außen in Erscheinung treten lassen. Auf der Ebene von Swadhisthana gibt es dagegen keinerlei bewusste Aktivität oder Manifestation, denn es ist der göttliche Schoß, Hiranyagarbha, in dem alles in einem potenziellen Zustand existiert. In der Rig Veda heißt es:
„Zu Beginn der Schöpfung war Hiranyagarbha, danach kamen all die lebenden Geschöpfe, alles was existiert, und Er war der Beschützer von allem.“
Im kollektiven Unbewussten sind die Karmas und Samskaras als Samen enthalten. Wenn du zum Beispiel gestern eine angenehme oder schmerzvolle Erfahrung gemacht hast, ist diese Erfahrung heute schon zu einer unbewussten Erfahrung geworden, zu einer Kraft, die deine bewusste Wahrnehmung heute beeinflusst und färbt. In gleicher Weise gibt es viele in der Vergangenheit gemachte Erfahrungen, die wir nicht bewusst abrufen können, die aber dennoch entscheidend dazu beitragen, wie wir uns verhalten, reagieren, und welche Einstellung wir haben. Von diesen Karmas gibt es unzählige. Sie prägen uns, aber wir kennen sie nicht.
Laut Tantra und Yoga wird jede einzelne Wahrnehmung, jede Erfahrung und Assoziation aufgezeichnet. Wenn du einen Streit oder eine unliebsame Auseinandersetzung hattest, ist die Einprägung sehr stark. Das Speichern oder Aufzeichnen findet aber auch dann statt, wenn du jemanden im Vorübergehen kurz anschaust und weitergehst.
Unzählige Eindrücke betreten das Wahrnehmungsfeld, und jeder einzelne Eindruck, ob bewusst oder unbewusst, wird automatisch gespeichert. Sie werden nicht hinterfragt, sondern werden nur in den verschiedenen Ordnern des Geistes abgeheftet. Alle diese Karmas, die scheinbar unbedeutend und ohne bleibenden Eindruck sind, aber automatisch in unserem Bewusstsein gespeichert werden, bilden das totale Unbewusste.
In Kundalini Yoga wird Swadhisthana als schwer überwindbares Hindernis betrachtet, weil die Karmas, die im Unbewussten eingebettet sind, das Aufsteigen von Kundalini nicht zulassen. Wegen der karmischen Ansammlung in Swadhisthana fällt Kundalini, selbst wenn sie kurz erwacht, immer wieder in ihren schlafenden Zustand zurück. Diese Karmas sind einer Analyse nicht zugänglich, denn sie haben keinerlei Form.
Doch gerade deshalb haben sie eine ungeheure Kraft. Stelle dir einen großen Wassertank vor, in den du verschiedene Dinge wirfst. Wenn du diesen Behälter nach einigen Jahren ausleerst, wirst du die Dinge nicht wieder erkennen. Es wird zwar noch alles da sein, aber nicht in der gleichen Form, wie du es hineingeworfen hast. Das kollektive Karma der unbewussten Existenz lagert in Swadhisthana genauso wie dieses Undefinierbare in dem Tank.
Beim Erwachen von Swadhisthana muss der Yogi mit vielen Problemen rechnen. Wenn hier etwas aufgewühlt wird und in Bewegung gerät, wenn diese unbewusste Materie aktiviert wird, sind viele Aspiranten äußerst beunruhigt und verwirrt. Es ist völlig unmöglich, diese Eindrücke mit dem Verstand begreifen zu wollen. Sie sind so ungewöhnlich, dass sie tatsächlich eher auf einen gestörten Geisteszustand schließen lassen.
Obwohl der Sadhaka wahrscheinlich nicht gerade freudig darauf wartet, diese Stufe des Erwachens zu betreten, ist sie doch für seine spirituelle Evolution absolut notwendig. Nur mit einem Guru, der weiß, wie Katastrophen während dieser Zeit verhindert werden können, kann Swadhisthana sicher und ohne Probleme durchquert werden.
Swadhisthana und das Fegefeuer
Während Kundalini sich in Swadhisthana Chakra aufhält, wird jedes auch noch so kleine Karmastäubchen aufgewirbelt, sodass sich alle negativen Samskaras in Form bringen müssen und nun offen daliegen. In dieser Zeit bist du vielleicht ärgerlich, ängstlich oder mit sexuellen Fantasien und Leidenschaften erfüllt. Du wirst vielleicht auch Lethargie, Trägheit, Depression und alle charakteristischen Merkmale von Tamas erfahren. Die Tendenz des Hinauszögerns ist sehr stark und du möchtest am liebsten immer nur schlafen.
Diese Stufe wird als die Hölle bezeichnet. In vielen Biografien großer Heiliger kannst du darüber nachlesen, wie sie schlimmen Versuchungen ausgesetzt waren und sich in großer innerer Unruhe befanden, während sie diese Stufe passierten.
Während Buddha unter dem Bodhi-Baum saß und auf seine Erleuchtung wartete, wurde er von Mara besucht. Mara ist die mythologische Dämonenkraft, dieselbe Kraft, die in der Bibel Satan zugeschrieben wird. Satan hat die Rolle des Verführers, und Mara die der Verführerin. Diese Kraft bedrängt uns nicht von außen, sondern ruht innen, in jedem von uns. Sie verbirgt sich in den Tiefen unserer Persönlichkeit und weckt unsere Illusionen.
Mara hat in der buddhistischen Tradition viele Gesichter, sie ist Schlange oder ein grotesk aussehendes Wesen mit großen Zähnen und einem schrecklichen Gesicht, und auch eine schöne, nackte Frau, die es darauf abgesehen hat, den Aspiranten während seines Sadhanas zu verführen. Dies sind zweifellos mythologische Symbole, aber trotzdem sind es Realitäten.
Nur diejenigen, die ohne Furcht sind und einen starken Willen haben, können diesen Versuchungen widerstehen. Jeder überragende Mensch und jeder Heilige musste durch diese seltsame Erfahrung hindurch, durch das letzte, gewaltige Aufbrechen des Samens, in dem alle Lebenserfahrungen enthalten sind. Es scheint, als liege der Same für den ewigen Zyklus von Geburt und Tod in Swadhisthana.
Obwohl die meisten Menschen mit diesen unüberwindlich scheinenden Schwierigkeiten konfrontiert werden, wenn sie sich durch das Terrain von Swadhisthana bewegen, ist es unter den nachfolgend beschriebenen Voraussetzungen doch möglich, sie zu überwinden. Der Aspirant braucht die Gnade eines Gurus und einen unbeugsamen Willen. Sein spirituelles Streben muss er ernsthaft verfolgen und darf darin nicht heuchlerisch sein. Er braucht ein klares Ziel vor Augen und muss bereit sein, den Fegefeuer Erlebnissen gefasst entgegenzusehen.
Wenn jemand auch nur ein klein wenig unschlüssig ist oder zaudert, wird Kundalini zu Muladhara zurückkehren, was bedeutet, dass es danach noch schwieriger sein wird, sie zu erwecken. Daher sollte man schon zu Beginn des Sadhanas und während der Erweckung von Swadhisthana die Fähigkeit in sich entwickeln, frei von Leidenschaften zu sein, Vairagya und dieser Übung besondere Beachtung schenken.
Hier geht es nicht um eine Distanz auf intellektueller Ebene, sondern die ganz persönliche Lebenssituation wird einer gründlichen Analyse unterzogen. Wann hörst du auf, den weltlichen Vergnügungen nachzujagen? Kannst du jemals alle deine Wünsche befriedigen? Selbst, wenn du 80 oder 90 Jahre alt wirst, und dein Körper die Freuden des Lebens gar nicht mehr genießen kann, werden deine Fantasien doch ständig um sie kreisen. Du kannst alle Sinnesfreuden hinter dir lassen, aber der Geschmack oder die Erinnerung werden dich nicht loslassen.
Erkennt der Sadhaka, dass sich Wünsche weder in einem noch in tausend Leben erfüllen lassen, dann wird Kundalini relativ schnell und sicher Swadhisthana passieren und ihren Weg zu Manipura Chakra finden. Fehlt aber diese Erkenntnis, dann wird Swadhisthana zu einem undurchdringbaren eisernen Vorhang, den vielleicht nur einer unter tausend durchbrechen kann. Viele Menschen erreichen Swadhisthana zügig, aber die Grenze von Swadhisthana zu passieren, ist eine andere Sache, und ohne Visum wird es niemals zu schaffen sein.
Die sexuelle Krise
Ich erinnere mich daran, ein Buch eines sehr bekannten Swamis gelesen zu haben, der seine Schwierigkeiten hatte, Swadhisthana zu passieren. Er schrieb:
„Ich saß die ganze Nacht und nichts außer Sex und sinnlichen Gedanken kamen mir in den Sinn. Ich träumte von vielen nackten Frauen, und mein Körper ging durch Wechselbäder von heiß und kalt. Schließlich bekam ich Kopfschmerzen und glaubte, mein Herz würde aussetzen.“
Während der ganzen Krise erschien immer wieder für einen kurzen Moment das Gesicht meines Gurus. Sein Gesicht war streng und ausdruckslos, und das brachte meinen Körper wieder zu normaler Temperatur zurück. Diese Konfrontation mit einer ungeheuer mächtigen Seite meines Geistes, der ich ausgeliefert war, dauerte bis zum Morgen. Als es schließlich dämmerte, atmete ich erleichtert auf. Doch die Abendmeditation begann ich mit sehr gemischten Gefühlen, ich hatte Angst und gleichzeitig Vertrauen.
Nächtelang war ich diesen Kräften meines eigenen Geistes ausgesetzt. Eines Nachts erschien mir Parvati. Sie ist Shakti und Gefährtin von Shiva, sie ist die göttliche Mutter. Ich wusste zwar genau, dass es Parvati war, doch sie sah so wunderschön aus und trug ein durchsichtiges Gewand, sodass ich ihre wahre Natur vergaß und sie mit allen Sinnen begehrte. Obwohl ich hätte wissen müssen, dass sie die göttliche Mutter ist, hatte ich doch nur Augen für die Formen unter dem Gewand.
Wie ein Blitz erschien das Gesicht meines Gurus und brachte mich wieder zu Sinnen. Ich betete: „Mutter, zeig mir nicht dieses Trugbild – Maya – es ist zu viel für mich. Du hast die Kraft, sowohl zu befreien als auch, Illusionen zu erschaffen. Du kannst mich in den Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt zurückstoßen, hast aber auch die Macht, mich aus dem Morast der Unwissenheit emporzuheben.“
Während ich betete, rollten Tränen über mein Gesicht, und ich fühlte meinen Körper von einer kühlen Brise berührt. Das ganze Panorama verschwand, und ich begriff, dass Kundalini Swadhisthana passiert hatte und sich nun Manipura näherte.
Umwandlung der Urenergie mit Yoga
Hat der Aspirant keinerlei sexuelle Wünsche und Begierden mehr, und fühlt sich nicht mehr von irgendjemandem besonders angezogen, bedeutet das, dass Kundalini Swadhisthana passiert hat. Um jedoch mit dem ganzen Thema Sex ehrlich umzugehen, musst du es durch und durch analysieren. Auch, wenn dir im Moment keine sexuellen Wünsche bewusst sind, heißt das noch lange nicht, dass die Begierden wirklich überwunden sind. Es ist gut möglich, dass sie nur verdrängt sind. Der Mensch ist derart veranlagt, dass unbewusst ein Unterdrückungsprozess einsetzt und sich diese Unterdrückungen tief im Unbewussten verwurzeln.
Die indischen Rishis weisen darauf hin, dass sexuelle Fantasien und Wünsche auf jeder Evolutionsstufe auftauchen. Während man sich in Swadhisthana befindet und von endlosen Fantasien überrollt wird, sind sie wirklich heftig und wollen sich auch deutlich zum Ausdruck bringen. Die sexuelle Wahrnehmung hört niemals auf, denn sie wird durch die Urenergie angefacht, die immer anwesend ist.
Sex ist nur eine Ausdrucksform dieser Urenergie und sie kann sich demnach auf jeder Stufe manifestieren. Man sollte nicht glauben, dass dieser Bereich jemals aus dem Leben ausgeklammert werden könnte. Selbst, wenn man im höchsten Bewusstsein weilt, ist man davon umgeben. Der große Unterschied liegt darin, dass in Swadhisthana alles in Aufruhr ist, während Sex in den höheren Zentren in Form eines Samens existiert. Wenn wir genau hinschauen, können wir erkennen, dass sich sexuelle Energie, wenn sie gereinigt ist, in Hingabe, Bhakti, die Vereinigung mit dem Höchsten wandelt.
Die ewig gleiche Energie hat auf verschiedenen Stufen unterschiedliche Namen. Auf der höchsten Ebene heißt sie spirituelle Energie. Auf der emotionalen Ebene heißt sie Liebe. Auf der physischen Ebene heißt sie Sex. Auf der untersten Ebene heißt sie Avidya oder Ignoranz. Wenn du über Sex sprichst, solltest du dir darüber bewusst sein, dass du nur über eine bestimmte Ausdrucksform dieser Energie sprichst. Genauso wie Quark, Butter und Käse verschiedene Formen von Milch sind, so hat Energie verschiedene Formen.
Materie ist Energie, wenn auch äußerst grobstofflich, verdichtet. Das bedeutet, dass Energie und Materie austauschbar sind. Ein Gedanke ist ein Objekt, und ein Objekt ist ein Gedanke. Der Körper ist Bewusstsein, und aus Bewusstsein ist der Körper entstanden. Dessen sind wir uns wahrscheinlich inzwischen bewusst, doch nun müssen wir auch eine neue Definition für die sexuelle Wahrnehmung finden und sie überdenken.
Die Rishis sagen, dass dieselbe Energie, die durch Leidenschaften zum Fließen gebracht wird, sich als Hingabe zum Ausdruck bringen kann, wenn sie anders gelenkt wird. Lenke die gleiche Energie jetzt noch einmal in eine andere Richtung, dann wird sie sich als spirituelle Erfahrung zum Ausdruck bringen. Das ist der Grund, warum spirituelle Aspiranten Gott in verschiedenen Formen lieben, z.B. als Vater, Mutter, Kind, Freund, Ehemann oder Liebhaber. Auf diese Weise können sie ihre emotionale Energie umwandeln und die Urenergie in eine göttliche Erfahrung transformieren.
Unterstützend wirken in dieser Phase Yoga Übungen wie Asanas, Pranayama und Meditation. Eine gute Wirkung haben auch die Reinigungstechniken des Hatha Yoga, welche z.B. die Nadis reinigen.
Die psychischen Eigenschaften von Swadhisthana
Auf einer höheren Ebene fungiert Swadhisthana als eine Art Schalter für Bindu, der Quelle des Urklangs. Jede Form des Erwachens wird gleichzeitig zu Bindu geleitet und wird hier in Form eines Klangkörpers erfahren, was ein wichtiges psychisches Merkmal für dieses Chakra ist.
Den tantrischen Schriften zufolge werden mit dem Erwecken von Swadhisthana viele andere Erfahrungen auf psychischer Ebene einhergehen. So verschwindet z.B. die Angst vor Wasser, intuitives Wissen dämmert, astrale Wesen können erkannt werden, und man ist in der Lage, alles, was man sich selbst oder was sich ein anderer wünscht, real zu schmecken.
Es muss daran erinnert werden, dass das Bewusstsein auf der Ebene von Swadhisthana (Sakral-Chakra) noch nicht gereinigt ist. Aufgrund der auf dieser Stufe noch herrschenden Ignoranz und Verwirrung sind die neu erwachten psychischen Kräfte auch von böswilligen mentalen Attributen durchzogen. Wenn der Aspirant versucht, diese psychischen Errungenschaften nach außen hin zum Ausdruck zu bringen, passiert es häufig, dass die persönlichen und niederen Tendenzen eher sichtbar werden, als die göttlichen.
Es soll hier noch einmal zusammengefasst werden. Das Erwecken von Kundalini ist keine schwierige Angelegenheit, wohingegen es äußerst schwierig ist, sie über Swadhisthana hinaus zu bewegen. Um dieses Hindernis zu überwinden, musst du deinem psycho-emotionalen Leben von Grund auf eine andere Richtung geben. Hast du Swadhisthana einmal überwunden, wirst du durch diese explosiven Traumata nicht mehr hindurch gehen müssen, dafür warten dann andere Schwierigkeiten.
Es ist nicht anzunehmen, dass Kundalini sich noch einmal zurückbewegt, weil es ihre Bestimmung ist, aufzusteigen. Auf dem weiteren Weg werden es dann die Siddhis oder die übernatürlichen Kräfte sein, die es zu bändigen gilt und die Probleme mit sich bringen.
Quelle: aus dem Buch Kundalini Tantra von Swami Satyananda Saraswati