Was ist das Ajna Chakra?
Unsere Betrachtung der psychischen Zentren beginnt mit dem Ajna Chakra. Gemäß der Tradition wird Muladhara normalerweise zum ersten Chakra erklärt, weil es als Sitz von Kundalini Shakti betrachtet wird. Es gibt jedoch ein anderes System, nach dem der gesamte Entwicklungsverlauf der Chakras im Ajna Chakra beginnt.
Im Ajna Chakra fließen die drei wichtigsten Nadis zusammen, die Energieströme Ida, Pingala und Sushumna. Sie vereinen sich dort zu einem Bewusstseinsstrom und dieser fließt zu Sahasrara, dem Zentrum in der Krone des Kopfes. In der Mythologie stehen diese drei Nadis mit drei großen Flüssen in Verbindung, Ganges (Ida), Jamuna (Pingala) und dem unterirdischen Fluss Saraswati (Sushumna).
Sie fließen in Prayag oder Triveni, in der Nähe von Allahabad, zusammen. Alle zwölf Jahre, wenn die Sonne im Zeichen des Wassermanns steht, führt ein Bad an diesem Zusammenfluss zu vollkommener Reinheit. Dieser Mythos ist für die Hindus noch heute lebendig. Das symbolische Gegenstück für diese drei zusammenfließenden Ströme finden wir im Ajna Chakra.
Die Konzentration auf die Verbindungsstelle der drei wichtigsten Nadis zu richten bringt mit sich, dass das individuelle Bewusstsein durch die Vereinigung der drei Kräfte überschritten werden kann. Das individuelle Bewusstsein lebt hauptsächlich vom Ego, und aufgrund des Egos existiert Dualität. Solange die Dualität und damit das ichbezogene Denken in uns vorhanden ist, kann Samadhi nicht erfahren werden. Solange du dir deiner selbst bewusst bist, kannst du nicht über dein kleines Ich hinauswachsen.
Obwohl es in den anderen Chakras auch transzendent-ähnliche Erfahrungen gibt, ist es doch unmöglich, das individuelle Selbst mit dem kosmischen Selbst zusammenfließen zu lassen. Bei allen Erfahrungen, die du machst, wirst du immer versuchen, sie mit dir in Zusammenhang zu bringen. Wenn sich jedoch Ida, Pingala und Sushumna vereinigen, verlierst du dich vollkommen.
Ich meine damit nicht, dass du unbewusst wirst. Deine Wahrnehmung dehnt sich aus und wird völlig homogen. Die individuelle Bewusstheit bindet dich nicht mehr und du überschreitest das Reich der Gegensätze. Deshalb ist Ajna Chakra ein bedeutungsvolles Chakra, das in deinen Erfahrungsbereich kommen muss, wenn der Geist gereinigt werden soll. Erst nach einem Prozess der Reinigung kann die Erweckung der anderen Chakras erfolgen.
Mit dem Erwecken der anderen Chakras geht ein gewichtiges Problem einher. Jedes einzelne Chakra enthält ein ganzes Lager von Karmas und Samskaras, gute wie schlechte, positive wie negative, schmerzhafte wie angenehme. Das Erwecken eines jeden Chakras wird mit Sicherheit diese Karmas an die Oberfläche bringen, und dem ist natürlich nicht jeder gewachsen.
Nur ein Mensch, der versteht, was in ihm vorgeht, wird damit umgehen können. Deshalb wird immer wieder betont, dass es gut ist, den Geist zuerst da zu reinigen, wo der Zusammenfluss stattfindet, nämlich im Ajna Chakra. Dann erst solltest du damit beginnen, die große Kraft zu entfachen, und sie in Erscheinung treten zu lassen. Mit einem gereinigten Geist kannst du die anderen Chakras erwecken. Das ist der Grund, warum unsere Darlegung mit Ajna Chakra beginnt.
Ajna Chakra – Das Befehlszentrum
Ajna bedeutet im Sanskrit: "Wissen, Gehorchen, Befolgen". Wörtlich bedeutet Ajna "Befehl" oder "das Zentrum der Überwachung". In der Astrologie gehört Ajna zu Jupiter, und Jupiter ist das Symbol für Guru oder Grundsatz. In der hinduistischen Götterwelt steht Jupiter für Brihaspati, den Guru der Devas und Götter. Angesichts dessen ist dieses Zentrum auch als "Guru Chakra" bekannt.
Ajna ist die Brücke, die den Guru mit seinem Jünger verbindet. Es stellt die Ebene dar, von der aus zwei Menschen in direkte Kommunikation treten können. Durch dieses Chakra wird eine Kommunikation mit dem äußeren Guru möglich. Ebenfalls kann hier die Führung des inneren Gurus im Zustand tiefster Meditation wahrgenommen werden. Es ist ein Zustand, in dem alle Sinnesmodalitäten zurückgezogen sind und der Zustand der Leere oder Shunya betreten werden kann.
Dies ist ein Zustand des absoluten Nichts. Empirische Eindrücke von Name und Form, Subjekt und Objekt können nicht eindringen. In diesem absolut statischen Zustand erlischt das Licht des Ichbewusstseins, es arbeitet nicht mehr, und es verbleibt keine Wahrnehmung des Egos. Dieser Zustand der Leere ist mit der Erfahrung des Todes vergleichbar. Will man diesen Zustand sicher durchqueren, dann ist es notwendig, die Stimme oder den Befehl des Gurus im Ajna Chakra hören zu können.
Du wirst dich diesem Problem noch nicht stellen müssen, solange du am Anfang deines spirituellen Lebens stehst. Kommt jedoch der Moment, dann wirst erkennen, wie schwierig es ist, dich dem zu stellen. Im Augenblick sind deine Probleme nur mentaler Natur, wie Zerstreutheit, Sorgen, Ängste, Ruhelosigkeit usw. Wenn die Nacht aber dunkel ist, und du dich in tiefer Meditation befindest, deine individuelle Wahrnehmung verloren hast, dann ist es nur das im Ajna Chakra gehörte Wort, die Anweisung oder der Befehl deines Gurus, was dich führen kann.
Ajna ist auch als "das Auge der Intuition" bekannt. Durch diese Tür betritt das Individuum die astrale und psychische Dimension des Bewusstseins. Der vielleicht bekannteste Name für das Stirn-Chakra ist "das dritte Auge", "drittes Auge". In der Mythologie aller Zeiten und Kulturen gibt es viele Hinweise darauf. Es wird als psychisches Auge dargestellt, das sich zwischen den beiden physischen Augen befindet, das jedoch nicht nach außen, sondern nach innen gerichtet ist.
In Indien wird das Ajna Chakra auch Divya Chakshu (das göttliche Auge), Jnana Chakshu oder Jnana Netra (das Auge des Wissens) genannt, weil der spirituelle Aspirant auf diesem Weg die Enthüllung und Schau der allem zugrunde liegenden Natur des Seins erfährt. Weiterhin ist es als das Auge von Shiva bekannt, denn Shiva ist der Inbegriff der Meditation. Die Meditation wiederum ist mit dem Erwecken oder Aktivieren des Ajna Chakras assoziiert.
Das Ajna Chakra ist interessanterweise bei Männern nicht so aktiv wie bei Frauen. Das mag daran liegen, dass Frauen einfühlsamer und empfänglicher sind und offener gegenüber psychischen Vorgängen. Oft haben sie die Fähigkeit, kommende Ereignisse vorauszusehen.
Bei den meisten Menschen ist dieses innere Auge jedoch geschlossen. Obwohl Ereignisse, die äußere Erscheinungen betreffen, vorhergesehen werden können, ist das nicht mit dem Erfassen der absoluten Wahrheit vergleichbar. Wir sind den wahren, in der Welt ruhenden Möglichkeiten gegenüber blind und können die tieferen Ebenen der menschlichen Existenz nicht sehen.
Die Lokalisierung von Ajna Chakra
Das Ajna Chakra befindet sich im Gehirn, genau hinter dem Mittelpunkt der beiden Augenbrauen, und zwar am oberen Ende der Wirbelsäule, an der Medulla Oblongata. Anfangs ist es äußerst schwierig, die genaue Stelle von Ajna zu lokalisieren, und deshalb wird das Ajna Kshetram als Konzentrationspunkt bevorzugt. Es ist das Augenbrauenzentrum, Bhrumadhya. Diese beiden Zentren stehen in direkter Verbindung. In Indien gibt es daher den Brauch, Tilaka, Chandan, Sindur oder Kumkum an dieser Stelle aufzutragen.
Sindur enthält Blei, und wenn es auf die Stirn zwischen den beiden Augenbrauen aufgetragen wird, dann erfolgt ein konstanter Druck auf den Nerv, der Bhrumadhya mit der Medulla oblongata verbindet. Vielleicht ist die eigentliche Bedeutung, warum diese Substanzen aufgetragen werden, den meisten Menschen nicht mehr bekannt. Auf jeden Fall ist es kein religiöses Zeichen und auch kein Schönheitspunkt. Es dient dazu, das Ajna Chakra ständig wahrzunehmen, ob bewusst oder unbewusst.
Um das Bild zu vervollständigen, sollten wir wissen, dass das Ajna Chakra und die Zirbeldrüse in enger Beziehung zueinander stehen. Das Gleiche trifft auf die Hypophyse und Sahasrara zu. Aber auch die Hypophyse (Hirnanhangdrüse) und die Zirbeldrüse (Epiphyse) stehen in enger Verbindung miteinander, und das gilt somit auch für die Chakras Ajna und Sahasrara. Bildlich ausgedrückt ist Ajna das Tor zu Sahasrara. Erst, wenn Ajna erwacht ist und richtig arbeitet, können alle in Sahasrara stattfindenden Ereignisse gut verkraftet werden.
Die Zirbeldrüse wirkt wie eine Bremse auf die Hypophyse. Solange die Zirbeldrüse gesund und aktiv ist, sind alle Funktionen der Hypophyse unter Kontrolle. Bei den meisten von uns jedoch begann die Zirbeldrüse im Alter von acht, neun oder zehn Jahren zu degenerieren. Danach erst konnte die Hypophyse verschiedene Hormone ausschütten, was unsere Sexualität, unsere Sinnlichkeit und die weltliche Persönlichkeit wachgerufen hat. In dieser Zeit haben wir die Berührung zu unserem spirituellen Erbe verloren. Yoga Techniken wie Trataka und Shambhavi Mudra ermöglichen uns, die Zirbeldrüse zu regenerieren, beziehungsweise gesund zu erhalten.
Die traditionelle Symbolik von Ajna Chakra
Das Symbol für Ajna Chakra ist ein Lotos mit zwei Blütenblättern. Den Schriften zufolge ist seine Farbe blass, hellgrau wie ein Regentag. Manche sagen auch, dass er weiß ist wie der Mond, oder auch silbrig, also nicht genau definierbar. Im linken Blütenblatt steht die Silbe ham und im rechten ksham.
Diese beiden Silben sind in silbrigweißer Farbe eingraviert und sind die Bija Mantras für Shiva und Shakti. Sie symbolisieren den Mond oder das Ida Nadi und die Sonne oder das Pingala Nadi. In diesem Chakra fließen drei der wichtigsten Nadis zusammen, Ida von links, Pingala von rechts und Sushumna in der Mitte.
In der Mitte des Lotos ist ein vollkommen runder Kreis, der Shunya, die Leere, symbolisiert. In der Mitte des Kreises ist ein mit der Spitze nach unten gerichtetes Dreieck. Es ist Ausdruck für Kreativität und Manifestation und damit das Symbol für Shakti. Über dem Dreieck ist ein schwarzer Shivalingam. Dies ist kein phallisches Symbol, wie viele Menschen glauben, sondern das Symbol für den Astralkörper.
In Yoga, Tantra und den okkulten Wissenschaften wird der Astralkörper als ein Aspekt der Persönlichkeit betrachtet. Der Shivalingam wird in drei verschiedenen Chakras dargestellt, wobei die unterschiedlichen Farben der jeweiligen evolutionären Bewusstseinsstufe entsprechen.
Im Muladhara Chakra ist der Lingam rauchfarben und schwer zu beschreiben. Er ist als Dhumra Lingam bekannt und drückt symbolisch den Bewusstseinszustand aus, in dem wir uns befinden, so lange unser Leben von den Instinkten regiert wird, und wir noch keine wirkliche Vorstellung davon haben, wer wir sind. Das Ajna Chakra hat einen schwarzen Lingam mit einem sehr prägnanten Umriss.
Er wird als Itarakhya Lingam bezeichnet. Hier im Ajna Chakra ist die Erkenntnis, wer und was ich bin, genauer definierbar, und von hier bringen sich verschiedene Fähigkeiten zum Ausdruck. In Sahasrara ist das Bewusstsein erleuchtet, und deshalb wird dieser Lingam als leuchtend beschrieben. Es ist der Jyotir Lingam.
Jemand, dessen Geist noch nicht sehr weit entwickelt ist, und der sich auf das Ajna Chakra konzentriert, wird den Shivalingam in Form einer Rauchsäule erleben. Das Bild wird kommen und wieder verschwinden, zurückkommen und sich wieder auflösen. In tieferer Konzentration verschwindet die Ruhelosigkeit und der Lingam wird schwarz. Durch die Konzentration auf den schwarzen Shivalingam wird der Jyotir Lingam im erleuchteten astralen Bewusstsein auftauchen. Deshalb ist der schwarze Lingam von Ajna Chakra der Schlüssel zu einer größeren spirituellen Dimension des Lebens.
Über dem Shivalingam befindet sich das traditionelle Symbol von Om mit den drei Bögen. Über dem vierten nach oben geschwungenen Bogen liegt der zunehmende Mond und Bindu. Om ist das Bija Mantra für das Ajna Chakra. Bewegt man sich über die Form hinaus, erahnt man das Klangbewusstsein, Raif. Paramshiva ist die Gottheit des Ajna Chakras, sein Glanz ähnelt dem einer Lichterkette. Die zu ihm gehörende Göttin Hakini ist klaren Geistes, ihre sechs Gesichter schimmern wie ebenso viele Monde.
Es heißt, dass jedes Chakra ein Tanmatra (spezifische Sinnesart) ein Jnanendriya (Organ der Sinneswahrnehmung) und ein Karmendriya (Organ der Handlung) besitzt. Für das Ajna Chakra ist der Geist das Tanmatra, das Jnanendriya und auch das Karmendriya. Der Geist ist in der Lage, mithilfe von sehr viel feineren Sensoren Wissen aufzunehmen, als es durch die Informationseingabe der verschiedenen Sinnesorgane, die zu den Jnanendriyas der anderen Chakras gehören, passiert.
Wenn Ajna Chakra erwacht, kommt ein sechster Sinn ins Spiel, der intuitive Sinn, mit dem jegliches Wissen auf direktem Wege aufgenommen werden kann. Das Jnanendriya von Ajna Chakra ist also der Geist. Ebenso kann sich der Geist ohne die Hilfe des physischen Körpers aktiv zum Ausdruck bringen. Das ist die Fähigkeit einer astralen Projektion, auch sie macht sich bemerkbar, wenn das Ajna Chakra erwacht. Deshalb ist auch das Karmendriya von Ajna der Geist.
Der Einsatzmodus dieses Zentrums ist rein mentaler Natur, und deshalb ist das Tanmatra ebenfalls der Geist. Die Seinsebene ist Tapa Loka, wo auch die letzten Spuren der Unvollkommenheit gereinigt und die Karmas verbrannt werden. Zusammen mit dem Vishuddhi Chakra bildet das Ajna Chakra die Basis für Vijnanamaya Kosha, die Ebene, von der aus die spirituelle Entwicklung eingeleitet wird.
Die Erfahrungen, die mit dem Erwachen des Ajna Chakras einhergehen, sind oft denen ähnlich, die Drogen wie Ganja (Marihuana) auslösen. Wer auf dieses erwachte Chakra meditiert, sieht brennende Lampen, so hell wie die Morgensonne und schwelgt in der Region des Feuers, der Sonne und des Mondes. Er kann willentlich den Körper eines anderen betreten, wird allwissend und allsehend und ragt unter den Munis besonders hervor. Er wird ein Wohltäter für alle und ist bewandert in allen Shastras. Er erkennt seine Einheit mit Brahman und erlangt Siddhis.
Die verschiedenen Ergebnisse, die durch Meditation auf die einzelnen Zentren erlangt werden, können durch Meditation auf Ajna als Gesamtheit erfasst werden.
Ajna und der Geist
Ajna ist genau genommen das Chakra des Geistes und repräsentiert eine höhere Ebene der Bewusstheit. Immer, wenn du dich auf etwas konzentrierst. sei es Muladhara, Swadhisthana oder Manipura, irgendein Objekt oder eine Vorstellung, immer wird Ajna davon berührt, manchmal milde, manchmal kräftig, es hängt vom Grad der Konzentration ab.
Wenn wir etwas bildlich sehen oder nachts träumen, dann ist diese innere Schau durch Ajna möglich. Wenn du etwas unbewusst tust, wie essen, reden oder schlafen, ist das Ajna Chakra nicht aktiv. Bist du dir jedoch beim Sprechen bewusst, dann ist dieses Wissen, diese Bewusstheit, eine Fähigkeit von Ajna.
Öffnet sich Ajna, kannst du etwas aus der eigenen Tiefe erfassen, völlig losgelöst von den Sinnesorganen. Normalerweise erlangen wir alles Wissen mithilfe der Informationen, die die Sinnesorgane zum Gehirn leiten, z.B. den Vorgang der Differenzierung oder das Einsetzen von Verstand und Logik, was sich alles im Vorderhirn abspielt. In einem kleineren Teil des Zwischenhirns, in dem sich das Ajna Chakra befindet, liegt die Möglichkeit, ohne Hilfe der Sinne, der Indriyas aus einer anderen Quelle zu wissen.
Ich möchte das mit einem Beispiel erklären. Es ist ein bewölkter Tag, und du denkst dir, dass es regnen wird. Das sagt dir deine Logik. Wenn aber keine Wolken am Himmel sind und du dir trotzdem absolut sicher bist, dass es regnen wird, dann bedeutet das, dass deine Intuition erwacht und die Wahrnehmung sehr präzise ist. Es bedeutet, dass das Ajna Chakra in Funktion ist.
Wenn Ajna erwacht ist, verschwindet alle Wankelmütigkeit und Buddhi manifestiert sich. Buddhi ist eine höhere Form der Intelligenz, eine höhere Wahrnehmung. Das Festhalten an Menschen, Dingen und Ideen, was nur aus Unwissenheit entstehen kann, sowie Mangel an Unterscheidungskraft ist plötzlich verschwunden. Sankalpa Shakti oder die Willenskraft wird sehr stark. Gefasste Vorsätze tragen augenblicklich Früchte. Voraussetzung ist allerdings, dass sie im Einklang mit dem individuellen Dharma stehen.
Ajna ist das Zentrum der Beobachtung; von hier aus können alle Ereignisse, auch solche, die Körper und Geist betreffen, mit Abstand betrachtet werden. Hier entwickelt sich eine größere Dimension der Achtsamkeit, von hier aus lässt sich die verborgene Essenz, die allen sichtbaren Erscheinungsformen zugrunde liegt "sehen". Mit dem Erwachen von Ajna wird die Bedeutung von Symbolen blitzartig erkannt, das intuitive Wissen steigt mühelos auf und man wird zum "Seher".
Es ist das Zentrum für außergewöhnliche Wahrnehmung, wodurch sich verschiedenartige, den Samskaras und den mentalen Tendenzen entsprechende Siddhis entwickeln. Deswegen sagt man, dass Ajna Chakra einem Knoten gleicht, der sich am oberen Ende der Wirbelsäule befindet.
Laut Tantra wird dieser Knoten Rudra Granthi genannt, der Knoten von Shiva. Er drückt symbolisch das aus, was mit dem Erwachen des Ajna Chakras einhergeht. Der Aspirant verstrickt sich in seine neu entwickelten Siddhis. Dieser Knoten verhindert die spirituelle Evolution tatsächlich so lange, bis das Festhalten an psychischen Phänomenen überwunden ist. Dann erst kann sich der Knoten im Bewusstsein lösen.
Begreifen von Ursache und Wirkung
Solange Ajna Chakra noch nicht erwacht ist, leben wir in einem Wahn. Wir sehen die Dinge nicht real und machen uns viele falsche Vorstellungen von Liebe und Hass, Eifersucht, Tragödien und Lustspielen, Sieg und Niederlage und vielem mehr und können nicht loslassen. Unsere Ängste sind unbegründet, ebenso unsere Eifersucht und das Anhaften, trotzdem ist alles da. Unser Geist arbeitet nur in einer begrenzten Ecke, aus der wir nicht herauskommen.
Ebenso, wie wir nachts träumen und unsere Traumerfahrungen relativ sind, so träumen wir auch im Wachzustand, und auch diese Erfahrungen sind relativ. Mit dem Erwachen von Ajna Chakra geht ein allgemeines Wachwerden einher, wir erkennen, dass wir bis jetzt nur einen Traum gelebt haben. Ab diesem Moment ist es erst möglich, die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung ganz zu begreifen.
Das Gesetz von Ursache und Wirkung müssen wir unbedingt im Kontext unseres eigenen Lebens sehen, sonst sind wir mit bestimmten Ereignissen unzufrieden und über den Verlauf enttäuscht. Angenommen, du bekommst ein Kind, und es stirbt kurz nach der Geburt. Warum musste das sein? Jeder würde sich das fragen. Wenn ein Kind sofort nach der Geburt sterben muss, warum wurde es dann überhaupt geboren? Erst, wenn dir das Gesetz von Ursache und Wirkung klar ist, wirst du eine Antwort darauf finden.
Ursache und Wirkung sind keine dicht beieinander liegenden Ereignisse. Jede einzelne Handlung ist gleichzeitig Ursache und auch Wirkung. Unser augenblickliches Leben ist eine Wirkung, was aber war die Ursache? Das musst du herausfinden, dann wirst du die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung verstehen. Erst, nachdem das Ajna Chakra erwacht ist, kann dieses Gesetz erkannt werden.
Danach wird sich deine ganze Lebenseinstellung verändern. Kein Ereignis wird dich negativ beeinflussen, und die verschiedenen Dinge und Erfahrungen, die in dein Leben hineinkommen und dich wieder verlassen, bringen dich nicht mehr durcheinander. Du begibst dich in alle Lebenssituationen hinein, lebst sie voll, bleibst jedoch unbeteiligter Zuschauer. Das Leben fließt wie ein schneller Fluss, dem du dich anheimgibst und mit dem du dich bewegst.
Von Ajna zu Sahasrara
Um Ajna Chakra zu erreichen, sind Sadhana, Disziplin, fester Glaube und ständiges Bemühen notwendig und es muss ein Sadhana eingehalten werden. Mit unserem augenblicklichen Geisteszustand können wir nicht wissen, wie wir Sahasrara erreichen können. Wenn jedoch das Ajna Chakra aktiv wird, entwickelst du eine höhere Wahrnehmung und erkennst, wie du auch zu Sahasrara Chakra gelangen kannst.
Es ist vergleichbar mit einer Reise, die du von Munger nach Marine Drive, Bombay, beginnst. Die wichtigste Stufe der Reise ist die lange Zugfahrt nach Bombay. Wenn du dort bist, wird es kein Problem mehr sein, nach Marine Drive zu gelangen, weil es einfach ist, denn du brauchst nur ein Taxi zu nehmen. Ich glaube deshalb, dass wir uns keine Gedanken darüber machen müssen, wie wir Sahasrara von Ajna aus erreichen können. Wir sollten jedoch wissen, wie wir Ajna erwecken können.
Quelle: Auszug aus Kundalini Tantra von Swami Satyananda Saraswati